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BIN ICH EIN RASSIST?   und   "Do Not Call Me Neger"

Das Wort Neger ist schon immer für mich ein rassistisches Wort gewesen! Ich habe mehr ein Problem mit der grundsätzlichen Beschreibung durch die Wörter "Schwarzer" u.a.
Bei der Fussball-WM 2006 hatte ich mal wieder dieses Problem. Wenn Deutschland mit Asamoa spielt sage ich z.B. nicht "der Schwarze da ..", sondern "Asamoa". Bei einer fremden Mannschaft würde ich es mir einfach machen und "der Schwarze da.." sagen. Dies halte ich für falsch! Ich habe mich selber dabei ertappt, daß ich anderst herum nicht "Weißer" sage, sondern erst versuche den Menschen anderst zu beschreiben (z.B. "..der da gerade kniet..). Warum ist das so? "Der Dicke.." zu sagen ist z.B. auch nicht in Ordnung. "Der Afrikaner.." passt auch nicht, denn Tunesier sehen z.B. ganz anderst aus als Menschen aus Ghana. Oder "der Farbige.."?. "Schwarz" und "Weiß" passt auch nicht; niemand ist ganz schwarz oder ganz weiß. Alle Menschen sind farbig. Wir machen es uns oft einfach und beschreiben Menschen nach deren bestimmten Merkmale. Sofern diese nicht negativ bzw. abwertend oder definitiv falsch sind ist dies auch sicher in Ordnung. Ansonsten sollten wir uns mehr Mühe machen.

Ich habe zwei Artikel gefunden:     LINK zu: BIN ICH EIN RASSIST?       LINK zu: "Do Not You Call Me Neger"





Quelle: www.derbraunemob.de

BIN ICH EIN RASSIST?

RELAX
Der erste und edelste Schritt ist schon mal getan:
Zugeben, dass man nicht unfehlbar ist.

Keine Angst, Rassisten sind nicht unbedingt prügelnde Glatzen sondern manchmal erwischt es auch nur Leute, die den Unsinn, den ihnen ihr Umfeld/die öffentlichkeit eingeredet hat, noch nicht unter Einsatz von Logik selbst hinterfragt haben. Rassismus heisst nicht, eine bestimmte "Rasse" zu "hassen", sondern zu glauben, dass bestimmten Ethnien "angeboren" oder "naturgemäß" über bestimmte Vorlieben, Talente, Neigungen oder Charakter-Eigenschaften verfügen.

Rassismus hat so an sich, dass ihn vor allem diejenigen bemerken, die davon betroffen sind. Falls einzelne weiße Deutsche Rassismus nicht ständig erfahren, dann ist das sehr erfreulich, heisst aber leider nicht, dass es ihn nicht oder nur selten gibt, sondern nur dass sie ihn nicht mitbekommen weil sie nicht die Zielscheibe sind. Zu behaupten, es gebe "kaum Rassismus" ist eine der beleidigendsten Aussagen, die man als nicht-Betroffener tätigen kann, weil sie die täglichen Erfahrungen hunderttausender Leute, die das nunmal besonders gut beurteilen können, ignoriert und sich auf anmassende und verletzende Art "über" sie stellt: bei allem was sie mitmachen müssen, wird das nun auch noch bestritten. So etwas ist bestenfalls ignorant.

Kein Mensch ist dagegen immun, Vorurteile und dümmliche Verhaltensweisen aufzunehmen, die von der Gesellschaft beständig serviert und bestätigt werden. Erwachsene Menschen können aber, sobald sie das einmal bemerkt haben, ihren Gehirninhalt (selbst den ein bisschen besser versteckten) zu grossen Teilen selbst beeinflussen, sich und ihre Ansichten in Kathegorien wie "weiss ich", "glaub ich" und "hab ich so noch nie drüber nachgedacht" sortieren und sogar dazu beitragen, wie stark oder wenig rassistisch sie ihrem eigenen Umfeld in Zukunft erlauben, zu sein. Das trifft selbstverständlich auf alle Ethnischen Gruppen, Hautfarben und Nationalitäten zu.

Der einzige wirkliche Rückschritt ist, einfach mal ungezwungen frei heraus zu behaupten "ich bin doch kein Rassist". Denn rassistische Tendenzen hat fast jeder, man "wird" nicht zum Rassist, sondern man arbeitet eher hart daran, keiner mehr zu sein. Wer am wenigsten darüber nachdenkt ist daher leider oft auch am infiziertesten weil das, was er oder sie früher darüber gelernt hat, noch unreflektiert in der Vorstellung "herumschwimmt". Gerade die Pauschalitäten, die wir als durchschnittliche Kinder in Deutschland über Schwarze und Weisse (und Asisaten/"Indianer" etc) gelernt haben, waren noch häufig stark rassistisch eingefärbt, und wer diese Informationen nie überprüft hat (z.B. mit Hilfe von denen, die es wissen müssen: Schwarzen), kann gar nicht wissen, ob sie stimmen oder nicht.

Zu behaupten "ich muss mich da nicht überprüfen denn ich weiss dass ich was das Thema angeht 100% okay bin" ist gelinde gesagt vermessen und nimmt eine schwere Angelegenheit auf die leichte Schulter (und lässt im übrigen auch die Frage aufkommen, ob es einen Grund für eine derartige reflexartige Abwehrreaktion gibt). Kaum ein Mensch, der Opfer von Rassismen war, würde so leichtfertig behaupten, ganz frei von Pauschalitäten und Vorurteilen zu sein (eben weil man sich als Opfer mit dem Thema auseinandersetzen muss und dabei wahrscheinlich eher auf die uncoole Wahrheit stösst: keiner ist ganz frei davon). Menschen, die nicht Opfer von Rassismus sind, sollten es sich also nicht so leicht machen, sondern wirklich versuchen, einmal ihre angesammelten Vorstellungen zu überprüfen. Und möglicherweise sogar dazuzulernen.

Oft liegt es leider nur an Wissenslücken, dass man sich selbst für nicht rassistisch hält. Wer beispielsweise nicht gesagt bekommt, dass und warum der Ausdruck "Mischling" eine Beleidigung ist, mag sich selbst nicht für einen Rassisten halten, das ändert aber nichts daran dass er sich komplett wie einer verhält, jedesmal wenn er das Wort verwendet.


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Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/themen/JSTLBP.html)

"Do Not You Call Me Neger"
von Grada Kilomba Ferreira

Als ich diesen Text schrieb, musste ich zunächst überlegen, wie ich das Wort "Neger" benutzen kann, denn das Wort ist schmerzhaft.
Ich habe mich entschieden statt des Euphemismus "N-wort", den Begriff "Neger" zu benutzen, um ihn zu dekonstruieren. Das ist eine für mich schwierige Entscheidung, da ich als Schwarze Frau durch dieses Wort nahezu täglich entwürdigt werde.


Zur Person:   Grada Kilomba Ferreira, Psychologin.  
Studium der Klinischen Psychologie und Psychoanalyse in Lissabon. In Berlin forscht und schreibt sie im Rahmen der "Cultural Studies".
Darüber hinaus ist sie als Gastdozentin an der Humboldt-Universität
Berlin (Abteilung "Gender Studies") sowie an der Freien Universität Berlin (Abteilung Psychologie) tätig.


Denn das Wort "Neger" ist kein neutrales Wort, es ist ein Weißes Konzept. Es soll alle südlich der Sahara lebenden Afrikanerinnen und Afrikaner kategorisieren und wurde während der "europäischen Expansion" erfunden [hier benutze ich den Begriff "europäische Expansion", um den positiv gebrauchten kolonialen Begriff "Entdeckungen" zu vermeiden]. Das Wort "Neger" ist also in der Geschichte der Sklaverei und Kolonisierung situiert, d.h. es ist ein Begriff, welcher mit Unterdrückung, Brutalität, Verwundung und Schmerz einhergeht.

In diesem Text untersuche ich Rassismus und die Beschimpfung mit dem Wort "Neger" als eine Form von Verwundung und Trauma. Das Wort "Trauma" kommt aus dem Griechischen und bedeutet 'Wunde' oder 'Verletzung'. In der Psychoanalyse wird ein Trauma durch seine Intensität, die es unmöglich macht, adäquat zu reagieren, definiert. Es beinhaltet die Idee eines gewalttätigen Schocks, der plötzlich die Beziehung mit anderen und mit der Gesellschaft auseinander reißt. Ebenso ist es die Idee einer unbeschreiblichen Wunde, auf die man/frau keine Worte und Symbole zum Reagieren hat. Es hinterlässt psychologische Narben in Form von ängsten, Albträumen und 'Flashbacks' oder hat zusätzliche körperliche Auswirkungen.
Rassismus wird aber selten als Trauma wahrgenommen und benannt. Diese Absenz der Benennung liegt daran, dass die Geschichte der rassistischen Unterdrückung und deren psychologischen Auswirkungen innerhalb des westlichen Diskurses bisher vernachlässigt wurden. Menschen der Afrikanischen Diaspora sind damit jedoch tagtäglich konfrontiert. Sie müssen nicht nur auf einer individuellen Ebene, sondern auch auf einer historischen und kollektiven Ebene mit den Traumata der Sklaverei und des Kolonialismus sowie dem Gefühl der Scham umgehen. In diesem Sinne verstehe ich Alltagsrassismus als eine Re-inszenierung kolonialer Szenen, die Menschen festschreiben in Diskursen der Unterlegenheit und Entfremdung. Ich stelle den Zusammenhang von Rassismus mit Trauma dar und analysiere ein Interview mit einer Schwarzen Frau (30), die über ihre rassistischen Alltagserfahrungen in Deutschland spricht.


I. "Neger, Neger, Neger" Schwarze Venus & Imaginierte Sklavin

"Ich erinnere mich nicht an das erste Mal, als jemand mich tatsächlich mit seinen Händen angefasst hat, um herauszufinden, wie sich Schwarze anfühlen ... Ich erinnere mich nicht an dieses erste Mal. (...) Aber ich erinnere mich daran, dass mein Freund eine Klavierlehrerin hatte und ich ihn nach seiner Stunde abholte, und diese Klavierlehrerin hatte ein kleines Mädchen. Das kleine Mädchen fing an zu reden: 'Die schöne Negerin und wie toll die Negerin aussieht, und die schönen Augen, die diese Negerin hat, und die schöne Haut, die diese Negerin hat ... und ich will auch Negerin sein!' Zu der Zeit sprach ich nur wenig Deutsch. Ich verstand nichts von dem, was sie sagte, ich hörte immer nur dieses eine Wort: Neger, Neger, Neger, Neger, wieder und wieder ... und natürlich hört es sich wie 'Nigger' auf Englisch an."

Die Wortkombination "schöne Negerin" ist vieldeutig, da ein positives Wort: "schön" vor einem Traumatischen: "Negerin" steht. Es ist ein Spiel süßer und bitterer Worte, das es schwer macht, Rassismus zu identifizieren. Kathleen wird schön und gleichzeitig "Negerin" genannt, wobei "Negerin" hier ihre Position rassifiziert und minderwertig bedeutet. Ursprünglich kommt das Wort "Neger" aus dem Latein als Bezeichnung für die Farbe Schwarz: "niger". Am Ende des 18. Jahrhunderts war "Neger" bereits ein abwertender Begriff mit verletzendem Charakter; er wurde durchaus strategisch genutzt, um das Gefühl von Verlust, Minderwertigkeit und Unterwerfung unter Weißer Herrschaft zu implementieren. In dem Moment, in dem Kathleen als "Negerin" bezeichnet wird, platziert man sie plötzlich in eine koloniale Szene, da dieser Begriff die Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen beschreibt, welcher seine Wurzeln in einer Herr- und-Knecht- (Meister- und Sklave-) Dichotomie hat. Jene, die "Negerin" rufen, wiederholen in diesem Moment eine Sicherstellung ihrer Macht (als Weiße Herrscher), und sie erinnern Kathleen an den Ort, den sie betreten darf, den Platz des "Negers", d.h. den Ort der Unterlegenheit. Diese Beleidigung ist eine mise-en-scene, in der Weiße zu symbolischen Herrschern werden, und in der Schwarze durch Demütigung, Verletzung und Ausgrenzung zu figurativen Sklaven degradiert werden.

Es gibt eine Schande-Stolz-Dynamik in dieser kolonialen Beziehung. Während die Schwarze Frau erniedrigt und beleidigt wird, hat das Weiße Mädchen die Möglichkeit, Ehre und Macht zu entwickeln, welche jedoch nur durch direkte Degradierung der Ersteren ermöglicht wird. Diese Szene re-aktualisiert nicht nur ein koloniales Trauma, sondern es sichert auch die Verteilung rassistischer Rollen innerhalb der Gesellschaft. Kathleen bleibt verletzbar, das Weiße Mädchen, obwohl noch sehr jung, bleibt die privilegierte Autorität -die nachteilige Position der einen sichert die Machtposition der anderen.

Die Erfahrung, als "Negerin" beschimpft zu werden, umfasst Trauma. Nicht nur, weil eine koloniale Szene re-inszeniert wird, sondern weil Kathleens Verbindung zur Gesellschaft zerrissen ist. Sie wird daran erinnert, dass diese Gesellschaft sich als Weiß versteht. In den Augen des kleinen Mädchens wird Kathleen als eine "Rasse" gesehen, die nicht zum "Weißen Territorium" gehört -sie ist eine "Negerin". Hier entsteht eine Konstruktion, in der "Rasse" innerhalb spezifischer nationaler Grenzen imaginiert wird und Nationalität als "Rasse", d.h. hier: Deutsch als Weiß festgeschrieben wird.


II. "Neger, Neger, Neger!" -Neid und Verlangen gegenüber Schwarzen

In Kathleens Geschichte erzählen die Worte des Mädchens allerdings nicht nur vom Prozess der Ausgrenzung, sondern sie enthüllen auch ihr Begehren, Schwarz zu sein. Sie betrachtet den Schwarzen Körper und gibt zu, einen solchen selbst zu wollen: "die schöne Haut, die diese Negerin hat ... und ich will auch Negerin sein!". Dieser Vorgang des Schwarz-Sein-Wollens ist tief in der Phantasie verstrickt, dass die rassifizierten Anderen Zugang zu etwas haben, was Weißen entgeht. Diese Phantasien sind die Grundlage eines primär unbewussten Neids. Einem "racial"(engl.) Neid, in dem es gleichzeitig ein Begehren geben muss, "bestimmte begehrte Attribute des rassifizierten Anderen zu besitzen und den Anderen zerstören zu wollen, weil sie/er etwas besitzt, was einem selbst zu fehlen scheint." Daher wird das Schwarze Subjekt in der Weißen Welt das Objekt eines Begehrens, das gleichzeitig angegriffen und zerstört werden muss. Kathleen scheint begehrt zu werden -sie ist ein Objekt des Weißen Exotismus. Aber ihre Position als Objekt einer "racial" -Begierde kann nicht von dem Neid getrennt werden, der damit zu tun hat. Sie kann jederzeit von einem begehrten "dunkelhäutigen" Körper zu einer angegriffenen und gedemütigten "Negerin" werden. Von einer exotischen Frau zu einer "Scheißausländerin". Von Gut zu Böse, aus Süß wird Bitter – ganz nach Bedarf.


III. "Neger, Neger, Neger" -Der unbeschreibliche Schmerz des Rassismus

"Und dann ... dann ... ich erinnere mich, dass ich es das erste Mal fühlte... diese Art von physischem Schmerz, weil jemand etwas [Rassistisches] tat oder sagte. Es gibt diesen ... Schmerz in den Fingern, es gibt etwas ... Ich hatte das noch nie in meinem Körper gefühlt ..."

Wie Kathleen beschreibt, war es genau das Wort "Negerin" und die gesamte Bedeutung dahinter, die sie schockierte und alarmierte. Ich spreche von Alarm, weil dieses Wort so effizient und so gewalttätig den Terror der rassistischen Unterdrückung beschreibt und die Erinnerung an Schmerzen hervorruft. Trotzdem (oder gerade weil) ein Kind spricht, wird die Gewalt und der Symbolcharakter des Begriffes "Neger" nicht reduziert. Auf diese "Triangulation" komme ich später noch zu sprechen.

Der Schmerz, der von Kathleen beschrieben wird, enthüllt die innerliche Verwundung durch Rassismus auf der Körperoberfläche. Rassismus hat die Absicht, das schwarze Subjekt zu verletzen und das Schwarze Subjekt fühlt sich körperlich verletzt. Ich sehe diesen Schmerz als eine Veräußerung der Verwundung durch Rassismus. Das Bedürfnis, die psychische Erfahrung von Rassismus auf den Körper zu transferieren, enthüllt die Idee, dass es keine Worte gibt, den Schmerz zu beschreiben. So wird Schmerz nach "außen" verschoben und über den Körper ausgedrückt.

In diesem Moment wird Kathleen an ihre Verwundbarkeit innerhalb einer Weißen Umgebung erinnert, die mit dem Schmerz der Schwarzen Geschichte spielt, und zwar willkürlich, wann immer sie will. Weiß-Sein wird somit zu einem Alarmsignal, zu einem Signal der Bedrohung und des Terrors, denn, wie Bell Hooks schreibt, leben Schwarze Menschen immer "mit der Möglichkeit, durch Weiß-Sein terrorisiert zu werden".


IV. "Neger, Neger, Neger" -Weiße bedienen

"Die Mutter, zuerst war es ihr sehr unangenehm, und sie versuchte darüber zu sprechen, dass alle Menschen verschieden sind und wie wunderbar das ist ... und ich kann mich nicht genau daran erinnern, was sie sagte, ich habe sie nicht genau verstanden. Mein Freund übersetzte mir später und sagte, dass sie darüber sprach, dass alle verschieden seien, dass es Schwarze gebe und auch Juden und dass dies die Welt großartig mache, etwas ähnliches ... ich erinnere mich daran dass mein Freund auch nicht wusste, was er tun sollte ... und ... Ich weiß nicht ... Ich weiß nicht, was ich getan habe, um darüber hinwegzukommen oder mich damit auseinander zusetzen."

Hier beschreibt Kathleen das Szenario, in dem Rassismus aufgeführt wird, und wo jeder eine spezifische Rolle hat: das Weiße Kind als "Aggressor", die Weiße Mutter und der Weiße Freund als "stille" Beobachter und sie, die Schwarze Frau, als Angegriffene. Es ist eine typische Dreieckskonstellation von Rassismus. Ich nenne es die "Triangulation von Rassismus" wegen seiner drei Rollen und den drei verschiedenen Funktionen, die Rassismus möglich machen:
    1. die rassistische Phantasie über den Anderen;
    2. das Subjekt, auf das diese Phantasien projiziert werden; und
    3. den dominanten Konsens in der öffentlichkeit, der diese Ausübung von Rassismus "stillschweigend" ermöglicht.

Diese Konstellation erinnert mich an die klassische Episode bei Frantz Fanon in "Schwarze Haut, Weiße Masken", in der ein neben seiner Mutter stehender Junge seine "racial"-ängste vor dem Schwarzen Mann ausdrückt und diesen beschimpft: "Schau den Neger an! Mama, ein Neger! Verdammt, er wird wütend ... Nehmen sie keine Notiz, mein Herr, er Weiß nicht, dass Sie so zivilisiert wie wir sind ...". "Schau wie gut aussehend dieser Neger ist!", sagte die Mutter zum Jungen und zeigte auf Frantz Fanon. In Kathleens Erzählung zeigt die Mutter des kleinen Määchens auf Kathleen und sagt, daäs jeder verschieden ist und dass das "die Welt großartig macht". Solche bejahenden Kommentare können das Gefühl nicht auslöschen, "seziert" zu werden und seinen Körper "verdreht zurückzubekommen". Man wird seiner eigenen Identität beraubt und sowohl mit Verachtäng als auch Bewunderung beschrieben: Fanon wird ein "gutaussehender Neger" ebenso wie Kathleen eine "schöne Negerin" wird -das Spiel süßer und bitterer Worte. Daher formuliere ich den oben geschriebenen Satz noch einmal neu: Nicht nur süße und bittere Worte machen es schwer, Rassismus zu identifizieren, sondern das Spiel süßer und bitterer Worte IST eine Form, in der Rassismus produziert wird. Die Schwierigkeit, Rassismus zu identifizieren ist nicht nur funktional für Rassismus, sondern ein Teil des Rassismus selbst.
Natürlich könnte man feststellen, dass das junge Weiße Mädchen, ein Kind, weder rassistisch noch brutal ist, da sie ja nur neugierig ist und keine schlechten Absichten hat. Jedoch müssen wir uns fragen: Warum wird die Erfahrung der Schwarzen Frau als irrelevant oder peripher betrachtet? Warum verbleibt das kleine Weiße Mädchen im Zentrum des Interesses? Sollten wir uns nicht fragen, warum es leichter erscheint, mit dem abfällig redenden Weißen Mädchen zu sympathisieren als mit der Schwarzen Frau, welche gedemütigt wurde? Ist das eine Form der Verteidigung eines Systems, wo es bedeutungslos ist, die Schwarze Perspektive und Erfahrungen zur Kenntnis zu nehmen? Oder ist es gar eine Form der Legitimierung von Rassismus und von der Benutzung des Wortes "Neger"? Wir sollten auch fragen, ob jene, die das kleine Mädchen verteidigen, auf subtile Weise nicht eigentlich sich selbst verteidigen. Ist nicht das, was die Kinder sagen, Teil ihrer Eltern, schon dadurch, dass sie dessen Informantinnen oder Informanten sind? Die Informanten oder "stillen" Beobachter sind spezielle Beobachter: Die Mutter versucht ihre eigene Tochter zu erziehen. Das ist eine peinliche Situation für die "Negerin", die "unter Weißen Augen seziert wird". Peinlich deshalb, weil sie zuerst ein Objekt Weißer Verachtung und Beschimpfung ist und dann ein Objekt pädagogischer Belehrung, durch die das kleine Mädchen etwas über die Völker dieser Welt lernen soll. In beiden Rollen dient Kathleen den Weißen Zuschauern als Objekt. Die Verwendung von "Multi-Kulti"-Argumenten wie "jeder ist verschieden und das macht die Welt großartig" unterstützt die Weltsicht des kleinen Mädchens: dass es nett sein muss, eine Negerin" zu sein. Hier werden Differenzen zwischen Menschen in ästhetischen Begriffen erklärt und nicht als ein Prozess der Rassifizierung, in dem Macht, Demütigung und Beschimpfung verwendet werden. Das kleine Mädchen lernt, dass rassifizierte Andere nicht dadurch verschieden werden, dass sie verschieden behandelt werden, sondern weil sie anders aussehen. Wie ich an anderer Stelle erwähne: Dann mag das klingen, als ob das Hauptproblem des Rassismus die Unterschiede zwischen Menschen seien bzw. die Präsenz dieser Unterschiedlichkeit. Tatsächlich ist es umgekehrt: Menschen werden durch Diskriminierungsprozesse und Ungleichbehandlung zu Abweichenden gemacht. Das heißt, Kathleen -wie jede andere Schwarze Person auch- ist keine "Negerin" wegen ihres Schwarzen Körpers, sondern sie wird als solche imaginiert auf Grund einer rassistischen Konstruktion, die sich auf ihre Schwarze Hautfarbe fixiert. Und wir als Menschen der afrikanischen Diaspora wollen nicht Teil dieser Konstruktion sein.

übersetzung aus dem Englischen von Hito Steyerl

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